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Hast du dich schon einmal gefragt, woher die Träume kommen? Ich will es dir gerne sagen.

Hoch über den Wolken, unsichtbar für das menschliche Auge und voller absonderlicher Kreaturen und Wesen, liegt das Land der Träume. Hier wird all das geboren, gehegt, gepflegt und manchmal zurechtgestutzt, was alle auf der Erde träumen.

Tief in den Höhlen der Zeit hausen die Albträume, finstere Gesellen, geschaffen aus der Dunkelheit zwischen den Sternen. Tagein und tagaus jagen und hetzen sie einander, werden größer und gemeiner, bis sie schließlich bereit sind, um all jene heimzusuchen, die sie am wenigsten gebrauchen können.

Doch über sie wollen wir lieber schweigen.

Überall auf den weiten Ebenen des Traumlandes kann man die anderen Arten von Träumen sehen. Jene, die von Erfolg handeln, ob im Beruf, der Liebe, oder auch der Jagd – letzterer machte sich gerade auf den Weg, um einen Wolf den Schlaf zu begleiten. Hier oben gibt es auch viele traurige. Sie handeln von dem, was wir verloren haben, seien es geliebte Menschen, Tiere oder auch nur Dinge. Zu Tausenden strömen sie jede Nacht auf die Erde und suchen diejenigen, die sie brauchen, denn auch traurige Träume haben ihren Sinn.

Die fröhlichen Träume aber, sind die Liebsten. Sie bestehen aus purem Sternenlicht und wo die Träume von Erfolg ihrem Träumer ein Lächeln aufs Antlitz zaubern, lassen ihm die Frohen das gesamte Gesicht erstrahlen. Doch meist sind es nicht die großen Dinge, von denen sie handeln, sondern ganz im Gegenteil die kleinen Dinge des Lebens, die wir allzu gern vergessen. Ein Schmetterling auf der Nasenspitze, ein besonders leckerer Kakao an einem kalten Winterabend oder ein Kuss auf die Stirn.

Zwischen all diesen Träumen sitzt eine Frau. Sie ist steinalt und stützt sich auf einen knorrigen Stock. Ihren Kopf ziert langes, graues Haar, darüber ein Hut, mit weiter Krempe. Mit wachen Augen blickt sie umher und zählt ihre Träume, die sie behütet, seit das erste Lebewesen auf der Erde angefangen hat zu schlafen. Sie kennt sie alle. Die Bösen, die Guten, die Traurigen, die Glücklichen. Doch am liebsten sind ihr die Unschuldigen. Jene Träume, die nur die Kleinsten und Reinsten unter den Lebewesen träumen können. Es sind die Kinderträume, die eng beieinanderstehen, um sich gegenseitig Glück und Wärme zu spenden. Tag für Tag passt die Hirtin auf sie auf, hegt und pflegt sie, bis die Zeit gekommen ist, dass ein Kind sie braucht. Dann bringt sie sie bis an den Rand der Traumwelt und entlässt sie mit einem Lächeln und Tränen in den Augen. Sie winkt ihnen nach, bis sie sicher ist, dass sie sicher dort angekommen sind, wo sie gebraucht werden. Erst dann geht sie wieder zurück, setzt sich auf ihren Stein, stützt sich auf den Stock und sieht den anderen Träumen beim Wachsen zu, bis auch ihre Zeit gekommen ist.