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Schritt für Schritt stampfte die große Gestalt durchs Unterholz des Waldes. Überall wo sein klobiger Fuß aufsaß, wurden Äste gebrochen, Insekten zerquetscht und Steine tief in den Boden gedrückt. Egal ob ein riesiger Fels oder ein umgestürzter Baum, der in Laken gehüllte Koloss schien sie nicht wahrzunehmen. Die Augen, in seinem grob geformten Gesicht, ließen nicht die geringste Form von Leben erahnen. Sie starrten immer geradeaus, auf ein Ziel in weiter Ferne fixiert. Nach Stunden des Marsches wich der Wald langsam und wurde zu einer weitläufigen Hügellandschaft, die sich zu zwei Seiten bis zum Horizont erstreckte. Von der dritten Seite aus wurde das Gelände von einem Gebirge begrenzt, welches sich hoch auftürmte. Die Gestalt schien den Wechsel der Gegend nicht wahrzunehmen, sondern stapfte in seiner monotonen Art stumpf weiter in die gleiche Richtung, wie auch schon die letzten Stunden. Im Licht des Tagesanbruchs konnte man erkennen, dass diese Gestalt wirklich sonderbar war. Würde es einem bei Nacht noch so vorkommen, als sei sie von kantiger Erscheinung und ihre Gesichtszüge seien von Gott doch sehr grob und einfach gestaltet worden, so musste man sich bei Tag eingestehen, dass es sich bei ihr um eine fast drei Schritt hohe Statue aus Holz handelte.

Aber es war niemand da, der sie sehen konnte. Nur der Holzmann, immer auf seinem direkten Weg zum Ziel. Sie schritt noch drei Tage lang immer geradeaus. Durch die Hügellandschaft dann durch einen Fluss und hinein in ein karges Ödland. Es war am Abend des vierten Tages, als die Statue ein niedriges und wackelig aussehendes Häuschen erreichte. Davor machte sie halt und stand. Ein zufällig vorbeikommender Wandersmann hätte gedacht, dass dieses Gebilde dort schon ewig stand und ganz klar zum Haus gehörte.

Nach einer halben Ewigkeit konnte man Geräusche aus der Statue hören. Ein Gähnen, ein dumpfer Aufprall und ein leises Fluchen. Dann war wieder Stille. Nach noch einmal fünf Minuten hörte man, wie eine Luke geöffnet wurde und aus den Stoffen, die man der Figur übergeworfen hatte, purzelte ein kleiner Mann von nicht einmal einem Schritt. Er knallte auf dem Boden auf, fluchte erneut und rappelte sich auf. Nachdem er sich das lichte dunkle Haar und seinen langen Bart notdürftig in Ordnung gebracht hatte, wandte er sich der Statue zu, die neben diesem Gnomen noch viel größer wirkte.

Er tippte mit dem Ring an seiner linken Hand dreimal gegen das hölzerne Bein und trat einen Schritt zurück. Nach kurzer Verzögerung begann die Statue zu schrumpfen. Sie wurde kleiner und kleiner, bis sie nur noch die Größe einer normalen Schachfigur hatte. Da nahm der Gnom sie in die Hand und ging zur schiefen Tür seiner Behausung.

»Ah, endlich wieder zu Hause«, sprach er und trat in die Tür.